Warum so eilig?

Ich begegne während meiner Arbeit vielen unterschiedlichen Menschentypen. Was mir immer mehr auffällt ist der Wunsch nach schnellen Lösungen. Das gilt nicht nur im Hundetraining sondern auch in unserer Gesellschaft. Wer kennt sie nicht, diese wohlklingenden Werbeversprechen?

 

·         5 kg in 5 Tagen verlieren – ganz ohne Hungern

·         eine Fremdsprache fließend in 3 Wochen sprechen

·         Klavier spielen lernen in nur 15 min!

·         ein stubenreiner Welpe in 24 h

 

Was haben diese „Versprechen“ alle gemeinsam? Sie preisen schnelle Lösungen ohne viel Arbeit an. Wenn das alles so funktionieren würde, hätten wir alle Kleidergröße 36, würden 10 Fremdsprachen sprechen, 5 Musikinstrumente spielen und hätten einen „perfekt gehorchenden“ Hund (wer möchte das überhaupt?).

Doch wie so oft im Leben gibt es zwar schnelle Lösungen. Diese haben allerdings ihren Preis – und damit meine ich nicht nur finanzieller Natur. Sie sind oft mit Nebenwirkungen verbunden. Denn: keine Wirkung ohne Nebenwirkung! Je stärker der Effekt desto größer ist auch die Gefahr, der Nebenwirkung. Sicherlich kann man in 5 Tagen 5 kg verlieren. Doch ist das gesund? Ist das von Dauer? Sicherlich kann man einem Hund das Bei-Fuß-Kommando in 3 Minuten „beibringen“. Doch was spürt der Hund dabei? Fühlt er sich wohl? Verbindet er in diesem Moment etwas Positives mit seinem Menschen? Oder macht er es nur, weil er mit einem kräftigen Leinenruck bestraft wird, immer dann, wenn er vom Knie des Menschen weicht?

Ganz oft funktionieren diese blumigen Versprechen auch einfach nicht. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der WIRKLICH innerhalb von 3 Wochen eine Fremdsprache gelernt hat und erst kürzlich haben mir Freundinnen erzählt, wie viel Zeit investiert werden muss, um einigermaßen Klavier spielen zu können. Auch ein in 24 Stunden stubenreiner Welpe ist mir noch nicht unterkommen. Klar, es gibt immer Ausnahmen - Ausnahme-Menschen und Ausnahme-Hunde. Doch wie der Name schon sagt, sind es Ausnahmen und nicht die Regel. Was passiert mit uns, wenn uns im Internet vorgeführt wird: bei allen klappt es, nur bei mir nicht? Wir sind frustriert, suchen die Schuld/den Fehler bei uns. Kein schönes Gefühl.

Warum muss denn überhaupt alles so schnell gehen? Warum soll alles gleich funktionieren? Ist es nicht viel schöner auf ein Ziel hinzuarbeiten und es irgendwann zu schaffen anstatt es auf einem Silbertablett serviert zu bekommen? Was macht uns am Ende des Tages glücklicher?

Die schönsten Aussichten sind nicht die, die man einfach mit dem Auto erreichen kann. Die schönsten Aussichten sind die, die man sich erarbeitet hat. Indem man zum Beispiel über mehrere Stunden bei glühender Hitze einen Berg hochgestiegen ist und sich spätestens alle 5 Minuten gefragt hat, warum man sich das antut. Die Luft wird dünner, die Knie fangen an zu schmerzen und man kommt sich vor wie eine Schnecke, die den Berg hochkriecht anstatt zu gehen. Wenn man dann endlich am Ziel ankommt, sind all diese Anstrengungen vergessen. (ok, 1-2 Tage später erinnert einen der Muskelkater wieder daran). Man hat sich den Ausblick „verdient“. Man hat dafür gearbeitet und wird belohnt. Das ist viel mehr wert als ins Auto zu steigen, zum Aussichtspunkt zu fahren, schnell ein Foto zu knipsen und wieder zu gehen.

Auch das Spielzeug, das ich mir als Kind von meinem mühsam zusammengesparten Taschengeld endlich kaufen konnte, war für mich viel mehr wert als ein Spielzeug, das ich „einfach so“ bekam.

Ähnlich ist es auch im Hundetraining. Wenn man gemeinsam mit seinem Hund gearbeitet hat, viel Zeit und Mühe (und Leckerchen) investiert hat und man irgendwann die Früchte seiner Arbeit erntet, z.B. indem man ganz stolz den lange einstudierten Trick seinen Freunden präsentieren kann, dann fühlt es sich genauso an, wie einen Berggipfel erklommen zu haben.

Ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage: gut Ding will Weile haben. Manchmal ist es einfach Zeit, die ein Hund braucht – ein Welpe oder Junghund, um zu reifen und erwachsen zu werden oder ein Tierschutzhund, der Schlimmes erlebt hat, um anzukommen und Vertrauen zu fassen. Unsere Hündin Amy zum Beispiel hat sehr lange gebraucht, um bei uns anzukommen. Die ersten Monate war Gassi gehen überhaupt nicht möglich. Jetzt, nach über 3 Jahren des Zusammenlebens ist sie eine neugierige Hundedame, die gerne Menschen und Hunden „Hallo“ sagt und sich durch die Welt schnüffelt. Es erfüllt mein Herz jedes Mal mit Freude, wenn sie sich traut, den Weg zu verlassen, um eine spannende Schnüffelstelle etwas abseits in aller Ruhe zu erkunden oder wenn sie sich daheim in ihrer Höhle auf den Rücken legt und schnarcht – weil ich weiß, dass es ein sehr langer Weg bis dahin war.

Hunde sind unglaublich faszinierende Tiere. Je mehr man sich mit ihnen, ihrem Wesen, ihrer Art zu kommunizieren beschäftigt, desto beeindruckender werden sie. Hunde sind zu verschieden, um in eine Form gepresst zu werden. Sie sind eigenständige Persönlichkeiten, genauso wie wir Menschen. Hunde haben es verdient, dass man sich auf den manchmal sehr steinigen Weg macht anstatt die Abkürzung mit dem Auto zu nehmen. Der Ausblick am Ende des Tages wird es Ihnen zeigen.

Daher mein Appell an Sie:

 

Suchen Sie nicht nach schnellen Lösungen. Begeben Sie sich auf die Reise – gemeinsam mit Ihrem Hund.