Ein persönliches Erlebnis (beim Tierarzt)

Eigentlich sollte sich der Beitrag diesen Monat um das Kommando „Sitz“ drehen. Aufgrund von zwei Erlebnissen in der letzten Woche, die mich sehr beschäftigt haben, habe ich mich umentschieden und werde stattdessen über etwas Persönliches berichten. Ich war in den letzten Tagen zweimal mit verschiedenen Tieren bei unterschiedlichen Tierärzten und musste feststellen, dass ich dort gegen mein Bauchgefühl gehandelt habe.

 

Ich schildere kurz den einen Vorfall beim Tierarzt, der meinen Rüde betrifft: dieser zeigte Anzeichen einer Ohrentzündung beziehungsweise eines Fremdkörpers im Ohr. Ich war sehr dankbar, als ich direkt einen Termin in meiner Stammhaustierpraxis bekam (mit der ich sehr zufrieden bin und mich immer sehr aufgehoben gefühlt habe), mir wurde aber gesagt ich solle mich auf Wartezeit einstellen, da ich bei einem der freien Tierärzte dazwischen geschoben werden würde. Als mein Rüde und ich das Behandlungszimmer betraten wurde mir schnell klar, dass dieser Tierarzt unter Zeitdruck stand. Das machte er mehrmals direkt und indirekt deutlich. Das gesunde Ohr ließ sich mein Rüde noch gerade so untersuchen. Beim anderen Ohr jedoch drehte er immer wieder den Kopf weg. Daraufhin wurde der Tierarzt ungeduldiger, sagte Sachen zu mir und zu meinem Hund, die völlig unangebracht waren und die ich von meiner Stamm-Tierärztin niemals hören würde. Schließlich sagte er, dass nur noch eine Narkose helfen könnte, um ihn untersuchen zu können. Ich war in der Situation so überfordert, dass ich der Narkose zustimmte. Ich hatte Angst, dass wir ohne Befund nach Hause gehen müssten und dass etwas unentdeckt bliebe, was sich später als schlimm herausstellen würde. Auf meinen Kommentar hin, dass mein Rüde Epileptiker sei, antwortete der Tierarzt „Schön für ihn.“ Spätestens jetzt hätte ich die Praxis verlassen sollen. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen. Das Ergebnis: mein Rüde bekam eine leichte Narkose, wurde untersucht (leichte Ohrenentzündung) und ich wurde mit einem sehr benommenen Hund nach Hause geschickt, während der Tierarzt noch während wir im Zimmer waren, anfing zu telefonieren.  Ganz ehrlich: einem Epileptiker bei hochsommerlichen Temperaturen eine Narkose zu verpassen, weil er vielleicht etwas im Ohr oder eine Ohrenentzündung hat ist meiner Meinung nach und im Nachhinein betrachtet absolut unverständlich. Der Tierarzt hat meinen Hund als Sensibelchen hingestellt und so getan, als wäre es das Ungewöhnlichste auf der Welt, dass ein Hund sich beim Ohr untersuchen wegdrehte. Hier nochmal zum Klarstellen: mein Rüde hat weder geknurrt, die Zähne gezeigt, noch abgeschnappt. Er hat einfach immer wieder den Kopf weggedreht. Davor im Wartezimmer war ich so stolz auf ihn, wie er entspannt neben mir lag und Hund und Katze beobachtete, die nur wenige Meter von ihm entfernt waren.

 

Warum erzähle ich Ihnen das? Ich möchte gar nicht so sehr auf den Tierarzt eingehen. Nicht mehr, als ich es oben schon getan habe. Er ist kompetent, versteht sein Handwerk und hat mir erklärt, dass die Gefahr besteht, dass er meinen Rüden bei der Untersuchung verletzt, wenn dieser nicht stillhält. Er hat mich auch zu nichts gezwungen oder einfach die Narkosespritze in meinen Hund gerammt. Nein. Er hat mich gefragt und ich habe zugestimmt. Und hier ist genau der Punkt: ICH habe die Entscheidung getroffen. Nicht der Tierarzt.

 

Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit Tierärzten, Hundetrainern, Physiotherapeuten oder auch Spaziergängern ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Im Sinne von: Sie oder Ihr Tier wurden in einer Art und Weise behandelt, die Sie nicht okay fanden, Sie waren aber wie ein Reh im Scheinwerferlicht und haben sich im Nachhinein darüber geärgert und gleichzeitig gewundert, warum Sie es zugelassen haben.

 

Nun möchte ich Ihnen meine Erkenntnisse mitteilen und gleichzeitig Ihnen und mir ein paar Empfehlungen mit auf den Weg geben:

1.       Es hat zwar nichts mit Hunden zu tun, aber vielleicht haben Sie mitbekommen, dass es eine große Diskussion über Rammstein und die berüchtigte „Row Zero“ gab. Hier wurden hauptsächlich junge Mädchen auf After Show Partys eingeladen, um mit der Band zu feiern. Hierzu habe ich oft die Aussage gehört, dass solchen Frauen doch bewusst sein müsste, warum sie zu einer solchen Party eingeladen würden und sich dann doch bitte nicht wundern sollten, wenn „man" dann mehr möchte. Gerade das Erlebnis in der Tierarztpraxis hat mir wieder gezeigt, dass es einfach ist, wenn man ganz entspannt auf seiner Couch sitzt, so zu urteilen. Aber in einer außergewöhnlichen Situation funktioniert der rationale Verstand nicht so, wie man es sich wünschen würde. Alle, die so etwas schon einmal erlebt haben, wissen wovon ich rede. Deshalb: Vorsicht mit zu schnellen Verurteilungen. Ich hätte mich selbst vermutlich auch für mein Verhalten in der TA-Praxis verurteilt, wenn ich nicht Live dabei gewesen wäre.

2.       ICH bin verantwortlich für das Wohlergehen meines Tieres! Nicht der Tierarzt, nicht der Hundetrainer, nicht der Physiotherapeut, nicht der Spaziergänger, der denkt er wüsste es besser, weil er ein Hundebuch gelesen hat. Nein! Nur ich allein. Also muss ich mich immer fragen: ist das gerade ok, was mit meinem Tier gemacht wird und NICHT: das ist ein Experte, der weiß schon, was er tut. Geben Sie nicht die Verantwortung ab!

3.       Auch wenn wir gerne behaupten, die Meinung der Anderen wäre uns egal, ist dem nicht so. Menschen sind dafür gemacht, in Gruppen zu leben. Damit das funktioniert muss es uns wichtig sein, was der andere von uns hält. Außerdem beeinflussen Konventionen stark unser Leben. Wir handeln oft nicht in unserem Sinne, sondern wie es gesellschaftlich gewünscht ist. Man verlässt nicht einfach mitten in der Behandlung die Tierarztpraxis. Das tut man nicht. Doch genau das wäre in meinem Fall die richtige Entscheidung gewesen.

4.       In diesem Sinne: Einfach gehen! Wenn Sie sich in einer Situation befinden und ihr Bauch schreit ganz laut „Alarm“, dann brechen Sie das Training, die Behandlung oder das Gespräch ab. (Natürlich nicht, wenn Ihr Tier in Lebensgefahr schwebt! Sie wissen schon, was ich meine.)
Dafür müssen Sie nicht unhöflich werden. Sie können es freundlich erklären und mit genügend Abstand in Ruhe überdenken, um eine rationale Entscheidung zu treffen. Das ist in einer Ausnahmesituation nämlich nicht mehr möglich.

5.       Machen Sie sich deutlich, wer hier wen bezahlt. Ich meine nicht, dass sich ein Tierarzt oder ein Hundetrainer verbiegen muss, um Ihnen zu gefallen. Dennoch handelt es sich um eine Leistung, die Sie honorieren. Also haben Sie auch das Recht, bestmöglich behandelt zu werden und wenn das nicht passiert, haben Sie das Recht (und Ihrem Tier zu liebe die Pflicht), sich jemanden zu suchen, der besser zu Ihnen passt.

6.       Wenn Sie vorher wissen, dass Ihnen eine Ausnahmesituation mit ihrem Tier bevorsteht, sei es ein fremder Tierarzt oder ein neuer Hundetrainer, dann gehen Sie nicht alleine. Nehmen Sie jemanden mit. Zu zweit zu sein kann in solchen Fällen helfen.

 

Ich wünsche mir für mich, dass ich das nächste Mal so handele wie ich es mir jetzt vorgenommen habe, nämlich ausschließlich im Sinne meines mir anvertrauten Tieres. Ihnen wünsche ich, dass Sie gar nicht erst in eine solche Situation kommen und wenn doch, gut vorbereitet beziehungsweise schlagfertig und mutig genug sind, um sich später keine Vorwürfe zu machen.